Misha Stroj: Wo Fabrik war, soll Factory werden

24/09/2010 — 24/10/2010

Misha Stroj, Wo Fabrik war, soll Factory werden, Ausstellung, 2010

Misha Stroj, Wo Fabrik war, soll Factory werden, Ausstellung, 2010

Misha Stroj, Wo Fabrik war, soll Factory werden, Ausstellung, 2010

Misha Stroj, Wo Fabrik war, soll Factory werden, Ausstellung, 2010

Misha Stroj, Wo Fabrik war, soll Factory werden, Ausstellung, 2010

In dem fast 500 qm großen Lichthof der Kellerei, dem Sitz von District, reflektiert eine begehbare Rauminstallation aus verschiedenen Objekten die Geschichte dieses Ortes, seine Gegenwart und Zukunft. Strojs Werke bestehen größtenteils aus vertrauten Materialien und Dingen aus der Umgebung, die er auf humorvolle Art zu einem körperhaften Kunstwerk verarbeitet. Das Resultat ist ein die Sinne anregender Parcours, der das poetische, natürlich-realistische und ironische Vokabular des Künstlers zum Ausdruck bringt. Obwohl das Ausgangsmaterial das Reale, die Vergangenheit ist, birgt die Welt von Misha Stroj immer auch Zeichen des Imaginären und Phantastischen.

Misha Stroj zählt zu den wichtigsten Vertretern der österreichischen Kunstszene. Im Vordergrund seiner künstlerischen Arbeit steht die Auseinandersetzung mit dem Raum bzw. dem Ort, an dem die Ausstellung stattfindet. Basierend auf der bereits im Vorfeld beginnenden Auseinandersetzung mit der einladenden Institution, entwickelte Stroj ein Konzept, das sich die spezifische räumliche Situation der Institution zunutze macht und sich sowohl mit der vorhandenen Architektur als auch mit der sozialen Umgebung auseinandersetzt. Das Resultat sind oftmals Objekte bzw. Installationen, die unterschiedliche Kunstformen wie Grafik, Fotografie und Text in sich vereinen. Trotz ihrer Verankerung in der Tradition der konzeptuellen Kunst, verstehen sich die Werke von Misha Stroj aufgrund der Oszillation zwischen dem künstlerischen Objekt und dessen räumlicher Umgebung auch als Skulpturen.

Im Mittelpunkt von Strojs Bestandsaufnahme der Gegenwart steht das Alltägliche. Rasch verraten seine Arbeiten das Interesse des Künstlers an den Dingen des Alltags, an den Materialien der Umgebung. Er nimmt sich seine Gegenstände regelrecht vor, sie werden abgeändert, zerlegt, deformiert, adaptiert, neu zusammengesetzt, kombiniert und zu poetisch-realistischen Installationen umgedeutet. Dabei ist sowohl der Raum, den sie einnehmen, als auch der, der sie umgibt, von essentieller Bedeutung.

Stroj widmet sich physischen Gegebenheiten in ihrem Verhältnis zur gesellschaftlichen Wirklichkeit. Seine Untersuchungen zielen auf die grundsätzliche Frage nach dem Umgang mit den Dingen, nach ihrer Gegenständlichkeit, ihren Bedingungen und ihrer eigenen Logik genauso wie auf die Frage nach ihrer Aneignung, ihren Traditionen und Versprechen. Ausgehend von den stofflichen Qualitäten des Alltäglichen versucht Stroj, dem Wesen der Dinge auf die Spur zu kommen und das Unscheinbare, das ihnen anhaftet, zur Darstellung zu bringen.

Stroj opponiert gegen den „Stand der Dinge“. Er versucht, freie Formen zu evozieren und andere logische Strukturen einzuführen. Er kartographiert ein Reich jenseits irdischer Zwecke. In Strojs aktueller Arbeit, anlässlich der Eröffnung von District konzipiert, steht die Auseinandersetzung mit der institutionellen Kunstpräsentation im Vordergrund. Dabei spiegelt die Anordnung der Objekte in der fast 500 qm großen Halle des ehemaligen Kellergebäudes durchaus den Anspruch einer musealen Ausstellung wieder.

Auf verschiedenen Ebenen stellt der Künstler Charakteristika des heutigen Kunstbetriebs bzw. der Räume, in denen Kunst verhandelt wird, zur Schau. Sperrholzplatten auf dem Boden verweisen nicht nur auf die industrielle Nutzung des Raumes, sondern spielen zugleich auf den gängigen, gewollt neutralen Gussasphaltboden in Galerien und Ausstellungshäusern an. Fast zu einer physikalischen Bedingung des Ausstellungsbetriebs stilisiert, setzen sich die eigenschaftsarmen Böden, klar als Einbauten erkennbar, von dem jeweiligen Gebäude ab, ohne dessen je eigene Funktion zu befragen. Stroj führt dieses Experiment in einer Reihe weißer, aus einfachsten Mitteln gebauter Wandflächen fort, die inmitten des vormals als Lagerhalle genutzten Raumes einen sauberen, klinisch weißen Raum im Raum andeuten. Als Glied in der Reihe der Veränderungs- und Aneignungsmöglichkeiten institutioneller Raumgestaltungen reflektieren sie die Frage nach den optimalen Wirkungs- und Wahrnehmungsbedingungen von Kunst. Verbunden mit den Dingen, die diese „Ausstellungsarchitektur“ präsentiert – mit den Boden-Wand-Stücken sowie den Objektformationen aus Bindfäden –, kann sie gleichzeitig als Plädoyer für eine versponnene Art, Kunst zu zeigen, gelesen werden.

Eine Gruppe weiterer Arbeiten thematisiert die Schnittstelle zwischen Kunst und Wirklichkeit, zwischen Architektur und Natur. Inmitten des Spiels mit den Merkmalen zeitgenössischer Kunstmilieus steht ein kleiner Trog aus Metall, in den der Künstler rote Rüben gepflanzt hat. Als ein Stück ursprüngliche Welt, als ein Feld- und Wiesenreich en miniature vertritt es im Innenraum das Außen sowie das Chaos der Natur gegenüber der Ordnung der Architektur. Ihm gegenüber rankt sich als Zeichen der vom Menschen gemachten Natur ein säulenartiges Relikt aus der Zeit der Malzfabrik empor, das für Handwerklichkeit und Nostalgie wie auch für Serialität und Rationalität steht.

Neben dem spielerischen Umgang mit verschiedenen Auffassungen von Kunst – vom traditionellen Werkbegriff bis hin zur ephemeren Manifestation – spielt in Strojs aktueller Arbeit auch die Frage nach dem Verhältnis von Kunstwerk, Raum und Betrachter eine Rolle. Dabei findet sich in den Weltschöpfungen des 1974 in Ljubljana geborenen Künstlers mitunter der Gedanke, es könnte mehr als nur die eine, uns bekannte Welt geben. Betritt der Besucher die Ausstellung, steht er einem kantigen, geometrischen Raummodell mit Decke und Trägern gegenüber, in dessen Mitte drei Vektoren von der Decke schweben. Subtil führen sie uns die Ebenen des erfahrbaren physikalischen Raumes vor Augen und signalisieren, dass es mehr als die uns bewussten Dimensionen geben könnte. Auch eine an ein Regal erinnernde Konstruktion aus Holz und Metall scheint sich den üblicherweise an sie gestellten Erwartungen zu verweigern. Mit zarten Verdrehungen und Verrenkungen vermittelt die fragile Installation den Eindruck, als versuche sie, sich gegen die Schwerkraft zu richten und einen Weg ins Freie zu suchen.

Zwischen den raumgreifenden, körperhaften Skulpturen und Objekten stößt der Besucher auch auf einige kleine, unspektakuläre Objekte aus Fliesen, Papier, Fotografien, Spiralen aus Bindfäden, Buchstaben, Drähten, Kordeln und Nägeln. Man könnte sie als eine Art poetische Chiffren sehen, stellen sie doch nichts weiter dar als das, was sie sind: freie Formen aus bemalten Oberflächen und Linien. Für diese autonomen Bildelemente bilden die weiße Wand, der Sockel und Boden den fehlenden Bildträger. Erst dort, wo die einzelnen Teile zusammenfinden, wo die Linie aus Alufolie auf die bunten Fliesen trifft, wo ein Gegenüber von Linie und Fläche entsteht, wo Linien gestaltgebend sind und ein Bildfeld strukturieren, wo Farbflächen auf Farbe verweisen und etwas repräsentieren, erst dort erhalten die Dinge ihre Gestalt.

Die Ausstellung wurde kuratiert von Susanne Modelsee und steht unter der Schirmherrschaft des Botschafters der Republik Österreich in Deutschland, Dr. Ralph Scheide.