WHEN THE SEA LOOKS BACK. A Serpent’s Tale / Berlin

19/10/2017 — 16/12/2017

Virgilijus Sonta, Black Hill, 1985

Caspar Heinemann, Pumicestone, reading at the opening of WHEN THE SEA LOOKS BACK. A Serpent's Tale, 19 October 2017, Photo: Emma Haugh

Almagul Menlibayeva and Ulrike Gerhardt, conversation at the opening of WHEN THE SEA LOOKS BACK. A Serpent's Tale, 19 October 2017, Photo: Emma Haugh

Almagul Menlibayeva and Ulrike Gerhardt, conversation at the opening of WHEN THE SEA LOOKS BACK. A Serpent's Tale, 19 October 2017, Photo: Emma Haugh

Golden Diskó Ship, music performance at the opening of WHEN THE SEA LOOKS BACK. A Serpent's Tale, 19 October 2017, Photo: Emma Haugh

The Many Headed Hydra #02

Ausstellung, Radio-Magazin, Zusammenkünfte

Mit Beiträgen von Anti*Preuß, Bryndis Björnsdottír, Cooltūristės, Ieva Epnere, Daniel Falb, Sonja Gerdes, Ulrike Gerhardt, Golden Diskó Ship, Caspar Heinemann, Almagul Menlibayeva, Sondra Perry, Ashkan Sepahvand, Virgilijus Šonta, Jessica Lauren Elizabeth Taylor, The Many Headed Hydra, Elsa Westreicher.
Kuratiert von Emma Haugh und Suza Husse.

Ausstellung 20. Oktober – 16. Dezember 2017
Öffnungszeiten der Ausstellung
Mittwoch bis Samstag, 15-19 h

The skin of the sea returns our gaze with unknown depths, tales of other lands and the movement of peoples. There is always something in the sea that tugs at the salt and water in our bodies, that seduces and alienates us in the same moment. Things we once knew but may have forgotten. Myths offer symbols that fuse our psyche with planetary streams, historical contradictions and kinships.  

The Many Headed Hydra ist ein Kollektiv von wandelbarer Gestalt, das sich für Mythen, Handlungsformen und queere Ökologien interessiert, die von Gewässern ausgehen. Als feministisches und dekoloniales Kunstprojekt erprobt The Many Headed Hydra in Zusammenarbeit mit Bewohner*innen verschiedener Inseln, Halbinseln und Kontinente das Potential von Erzählweisen für die Verschränkung forschender, künstlerischer und publizierender Praxis. Dabei taucht die Hydra an verschiedenen Orten in Form von entgrenzten Magazinen auf, die ebenso Ausstellungen wie Performances, Zusammenkünfte, Radiosendungen oder Orakelbeschwörungen sein können.

Als polyphones Orakel stellt WHEN THE SEA LOOKS BACK. A Serpent’s Tale aus den Verflechtungen von Landschaft und Technologien, Körpern und Macht neue Erzählungen her. Mit dem Meer zurückblickend, fabuliert die Vielköpfige Hydra eine Verbundenheit der Wüstenlandschaften des Südens und des Nordens – des ausgetrockneten Aralsees und der ‚Toten’ Dünen der Kurischen Nehrung – entlang der Nachbeben einer kolonialen ökologischen Moderne. Die Orakel in WHEN THE SEA LOOKS BACK behelfen sich der Imagination, der Erinnerung sowie mündlicher und visueller Übermittlungstechniken um von Diaspora- und Grenzkulturen, von geologischer Tiefenzeit und von post-imperialen Mensch-Tier-Verwandlungen zu erzählen. Entlang vergangener, zukünftiger und gegenwärtiger Uferlinien nähern sich die Beiträge mit Mitteln der bildenden Kunst, der Performance, der Musik und der Philosophie den Meeren als historische Topographien und politische Kollektivitäten.

Der erste Teil dieses interdisziplinären Projektes fand diesen Sommer in der VAA Nida Art Colony an der Kurischen Nehrung statt. In Zusammenarbeit mit eingeladenen Künstler*innen und Ko-Forschenden in residence entwickelte The Many Headed Hydra über drei Monate eine ortsspezifische, wilde Praxis in post-sowjetischen Landschaften und im queeren Dialog mit dem litauischen Volksmärchen Eglė, die Königin der Nattern – eine Erzählung, die über die Jahrhunderte hinweg von Indien über Kasachstan nach Litauen, Deutschland und in die Türkei wanderte. Eine Möglichkeit, diesem Ort aus den Augen des Meeres zu begegnen, wurde ein Zurückblicken, das auch als Kontern des kolonialen Blickes und einer kolonialen Zeitdimension gemeint ist. Was dabei den Blick bzw. ins Bild historischer Vorstellungskraft gerät, ist ein Wald, der nach und nach zur Düne wird, während die Bäume zu Schiffen verbaut werden und unter imperialer Flagge den Atlantik befahren. Die hier seit den ersten Großrodungen im 16. Jahrhundert anhaltende Spannung zwischen Sand- und Pflanzenwelten ist eine lebendige Spur geschichtlicher Verstrickungen. An ihren Ausläufern finden sich die preußisch-deutsche Expansion kolonialen Seehandels und die Wiederaufforstung der Dünen über mehrere Generationen von Arbeiterinnen* und Kriegsgefangenen hinweg. Meer und Landzunge, in die im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Nationen ihre Ansprüche einschrieben, sind dabei bis heute Grenzgebiet geblieben.

Für den zweiten Teil von WHEN THE SEA LOOKS BACK. A Serpent’s Tale bei District verknüpfen sich die in Nida aktivierten Schlangenköpfe und Tentakel zu neuen spekulativen Zusammenhängen, darunter Sondra Perrys afrofuturistisches Flickern von Meer, Haut und Blick in den Abstraktionen eines zwischen Landschaft und Spiegel changierenden Körpers und die queeren Zeit-Raum-Verhältnisse, die aus dem Werk des experimentellen Fotografen Virgilijus Šonta sprechen, das in den 1970er und 80er Jahren in dem Militärgebiet um Nida entstand. In der Ausstellung treten sie in Beziehung mit post-sowjetischen Mythen Almagul Menlibayevas, die von Fischerstöchtern und Zwischenwesen in der ökologischen Traumalandschaft der Aralkumwüste ausgehen, und mit den performativen und skulpturalen Annäherungen an die Reptil-Mensch-Baum-Verwandlungen in Eglė, die Königin der Nattern von Brydis Björnsdottír und des Kollektivs Cooltūristės, welche das Märchens kritisch in Bezug zu genderpolitischen, migrationsgeschichtlichen und (neo-)nationalistischen Dimensionen lesen.

Mit ihrer Ankunft in Berlin erweitern sich die Ausstellung, Zusammenkünfte und Magazin WHEN THE SEA LOOKS BACK. A Serpent’s Tale um neue Beiträge von Caspar Heinemann, Sonja Gerdes, Ashkan Sepahvand, Jessica Lauren Elizabeth Taylor und Anti*Preuss. Das Programm eröffnet mit dem Launch der zweiten Ausgabe des The Many Headed Hydra Magazins. Das Magazin enthält eine Sammlung von Text- und Bildlagen sowie ein experimentelles Radiomagazin von Golden Disko Ship auf Kassette, das die Beiträge zu WHEN THE SEA LOOKS BACK in Sounds und Musik übersetzt. Das Radiomagazin wurde im August von der Nida Art Colony aus vom lokalen Radiosender Neringa FM ausgestrahlt und wird nun zur Eröffnung bei District von Golden Diskó Ship live performt.

PROGRAMM

19. Oktober ERÖFFNUNG

18 h Ausstellungseröffnung

19 h Pumicestone
Lesung Caspar Heinemann

anarcho communist poet // twinky butch mystic // ex-ex-punk // trans as in transitional demand [berlin, mostly]
„…it is all about contingency or soft water butch or bodies without organs, kettles without limescale, utopian futures etc. […] Global sea level rise is roughly 3 mm a year, which is roughly the amount of blood I contributed, which is roughly biopolitics biopolitics biopolitics.“
angstravaganza.tumblr.com

20 h After The Aral Sea: Diasporic Dreamscapes in the work of Almagul Menlibayeva
Gespräch Ulrike Gerhardt und Almagul Menlibayeva

21 h When The Sea Looks Back. A Serpent’s Tale – Live Radio Show
Musikperformance von Golden Diskó Ship und Launch des The Many Headed Hydra Radio Magazine #02

Die Imagination, Spekulation und Raum-Zeit-Auflösungen, die von den Werken in WHEN THE SEA LOOKS BACK. A Serpent’s Tale und aus ihren Zwischenräumen ausstrahlen, werden in den Fieldrecordings, Kompositionen und Samples von Golden Diskó Ship hör- und tanzbar. Von Sondra Perrys afrofuturistischem Flickern von Meer, Haut und Blick in den Abstraktionen eines zwischen Landschaft und Spiegel changierenden Körpers zu den queeren Topographien, die aus dem Werk des experimentellen Fotografen Virgilijus Šonta sprechen, das in dem Militärgebiet um Nida entstand, macht das Radiomagazin einen Raum auf, um den Orakeln der vielköpfigen Hydra in ihren ökohistorischen Kontexten zu lauschen.

 

18. November

16 h Landráð II: Unearthing
Performance von Bryndís Björnsdóttir

 

6. Dezember

18-21 h Anti*Preuß
Erzählungen, Lesungen und queerings mit The Many Headed Hydra und Joerg Franzbecker

Für 10 Teilnehmer*innen – Anmeldung bitte bis zum 30. November 2017 an press@district-berlin.com.

 

14. Dezember

18-22 h Muttererde
Premiere von Jessica Lauren Elizabeth Taylors vielstimmigen Videoprojekt in Zusammenarbeit mit Astrid Gleichmann featuring Camalo Gaskin, Tobi Ayedadjou, Niv Acosta, Natalie Anguezomo Mba Bikoro, Margaux Coker und Fannie Sosa
Ein Projekt von Nida Art Colony/Vilnius Academy of Arts und District Berlin. Unterstützt von Lithuanian Council for Culture & the Lithuanian Ministry of Culture, Goethe Institut Litauen, Arts Council of Ireland und Nordic-Baltic Mobility Programme

The Many Headed Hydra wurde 2016 von der Künstlerin Emma Haugh und der Kuratorin Suza Husse bei District ins Leben gerufen. Das erste The Many Headed Hydra Magazin mit dem Titel SEA BODY INFRASTRUCTURE IMAGE erschien im Sommer 2016 mit Beiträgen von Anna Hallin & Olga Bergmann, Bryndís Björnsdóttir, Hannah Black, Natasha Ginwala, Tinna Grétarsdóttir, Tejal Shah, Ato Malinda, Nine Eglantine Yamamoto-Masson u.a.. Herausgegeben von Emma Haugh und Suza Husse für District Berlin in Kooperation mit Occupational Hazard Project in der ehemaligen NATO-Station Reykjanes Bay und im Reykjavík Art Musuem.