D’EST: I’ve seen the future baby, it’s sexy

29/09/2022 — 15/10/2022

Karin Ferrari, The Lost Goddess. DECODING ‘Born This Way’ by Lady Gaga, 2020/2022. Videostill, Einkanal-Video (HD), 23’13’’, dokumentarisch/experimentell.

CENEx (Centro de Estudios de la Naturaleza Extractiva, gegründet von Lucia Egaña, Isabel Torres und Juana Guerrero), Petro Porn, 2017. Videostill, Einkanal-Video (HD), 4’27’’, Farbe, Ton, experimentell.

Phuong Linh Nguyen, The Head, 2021. Videostill, Einkanal-Video (HD), 4’45’’, Farbe, Ton, experimentell.

Naomi Moonlion, We’re All Queer Here Darling, 2020/2022. Videostill, Einkanal-Video (HD), 3’, Farbe, Ton, experimentell.

Marina Marković, Void, 2016. Videostill, Einkanal-Video (HD), 4’, schwarz-weiß, Ton, experimentell.

I’ve seen the future baby, it’s sexy

Video Screening

mit Arbeiten von Ieva Balode, CENEx, Karin Ferrari, Virginia Lupu, Marina Marković, Naomi Moonlion, Phuong Linh Nguyen, Lea Petříková und Nataša Prosenc Stearns

Kuratiert von Tia Čiček und Teodora Jeremić

29. September – 15. Oktober 2022

Ort: Alte Münze, Molkenmarkt 2, 10179 Berlin

Mit I’ve seen the future baby, it’s sexy stellen Tia Čiček und Teodora Jeremić eine Auswahl an Videoarbeiten zusammen, die eine Welt ohne Schuld- und Schamgefühle möglich erscheinen lassen. Das Kuratorinnen-Duo geht davon aus, dass diese Gefühle keineswegs angeboren sind, sondern durch verschiedene soziokulturelle Prozesse erst erzeugt werden und besonders mit der Identifizierung und den Erfahrungen als queer, Frau und/oder Femme untrennbar verbunden sind. Dass diese Gefühle erst erzeugt werden, bedeutet allerdings auch, dass sie möglicherweise wieder abgelegt werden könnten, auch wenn das leichter gesagt als getan ist. Das subjektive Empfinden von Schuld- und Schamgefühlen überschneidet sich mit dem Fakt der gesellschaftlichen Repression nicht-normativer Subjekte, die diskursiv typischerweise mit dem Argument gerechtfertigt wird, dass diese Subjekte ein inhärentes Potential besitzen, die heteronormative und patriarchale Gesellschaftsordnung zu untergraben.

Diese „Anderen“, ihre Körper, ihre Sexualitäten und ihre Identitäten erfahren innerhalb von und durch rigide Machtstrukturen unentwegt Unterdrückung, und so formierten sich über die Zeit digitale Subkulturen, die sich aus selbsterklärten Hexen unterschiedlicher Hintergründe zusammensetzen. Es ist ein Wiederaufleben ritueller Praktiken zu beobachten, die von diesen modernen „Zauber*innen“ auf Social-Media-Plattformen durchgeführt werden. Die Subkulturen finden immer mehr Zulauf und scheinen insbesondere jüngere Generationen anzusprechen, die sich dem binären und unterdrückerischen gesellschaftlichen System nicht zugehörig fühlen. Unabhängig von den individuell-ausgerichteten Ansätzen ihrer jeweiligen Praktiken, scheinen queere, weibliche und/oder femme Hexen der Gegenwart geeint in dem Verlangen, die etablierte Ordnung zu untergraben, indem sie sich miteinander verbinden und gemeinsam nach Ermächtigung und der Freiheit, ihre Identitäten zu erforschen, streben. Sie verkörpern die Hexe als politisches Subjekt, das sich in einer marginalisierten Position befindet und dabei gleichzeitig subversives Potential in sich trägt.

Um die Strukturen, Beziehungen und Geschichten, die den Schuld- und Schamgefühlen sowie dem damit einhergehenden Wissen und Schatz an Erfahrungen zugrunde liegen, neu zu denken, haben die Kuratorinnen zukunftsweisende Arbeiten ausgewählt, die bestehende Diskurse revolutionieren wollen. Die Videoarbeiten, die Tia und Teodora für das Programm I’ve seen the future baby, it’s sexy zusammengestellt haben, können somit als Zyklus unterschiedlicher Mini-Orakel verstanden werden. Prophezeiungsfragmente bieten die Möglichkeit, zeitgenössische Belange und Positionen zu erkennen, benennen und aufzuzeigen, für welche es sich lohnt zu kämpfen und sie ggf. neu zu belegen. Die Auswahl umfasst spekulative Erzählungen, die Fakten und Fiktion vermischen, Begegnungen mit verschiedenen ausbeuterischen neoliberalen Praktiken ermöglichen, die Auseinandersetzung mit dem Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung suchen, sowie mit dem disruptiven Potential alternativer Wissensformen umgehen.

I’ve seen the future baby, it’s sexy ist eine Einladung, sich auf eine Reise der Heilung und des Durchbrechens bestehender Grenzen und repressiver Strukturen zu begeben. Es gilt, neue Formen zu kultivieren und zu fördern, indem homogene Kategorien und Regelwerke, die den Alltag bestimmen, vielfältiger gestaltet und aufgebrochen werden. Das Kuratorinnen-Duo hofft, durch die Akzeptanz anderer Verarbeitungsansätze von Gefühlszuständen, die mit Emotionen statt gegen sie arbeiten, durch das Anwenden nicht-normativer Kommunikations- und Arbeitsstandards und durch die Beschäftigung mit „verborgenem“ Wissen ein Gefühl der Ermächtigung zu vermitteln, das zur weiteren Selbstreflexion anregt und vielleicht sogar das bewusste Ablegen normativer Schemata unterstützt. (TJ+TČ)

Das Screening Programm I’ve seen the future baby, it’s sexy wird präsentiert im Rahmen der Gruppenausstellung Menstrualitäten vom 29. September bis 15. Oktober 2022 in der Alten Münze in Berlin und stellt eine Kollaboration zwischen Menstrualitäten und D’EST dar. Das Ausstellungsprojekt Menstrualitäten wurde entwickelt unter der künstlerischen Leitung von Halea Isabelle Kala und ist Teil des Menstruation Project, einer langfristigen Initiative des Transition Institute.
– www.menstruation-project.com