Khaled Barakeh: Transmigrations

04/07/2013 — 30/06/2014

Khaled Barakeh, USA UD A VIETNAM, Schablone & Sprühlack, 2013

Khaled Barakeh, Wandgemälde an der Fassade von District, 2013

USA go out of Vietnam - Original Graffiti, 2013

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Khaled Barakehs Wandarbeit Transmigrations (2013), ein ebenso monumentales wie zeitliches Plakatwerk, an der Fassade von District, ist das fünfte Projekt der District Reihe AAArchitecture. Transmigrations wurde im Rahmen des kSymposiums n định động initiiert, das translokale Perspektiven zeitgenössischer vietnamesischer Kultur innerhalb und außerhalb Vietnams zusammen brachte. Barakehs Wandgemälde ist Teil einer Werkserie, die aus einem historischen Graffito in Kopenhagen hervorgehen USA UD A VIETNAM, zu deutsch: USA raus aus Vietnam. Das von dem Künstler entdeckte Zeichen politischen Widerstandes gegen die amerikanische Intervention im Vietnamkrieg (1965-1975) wurde zum Ursprung einer sich fortentwickelnden Konstellation von Graffitis und anderen Interventionen im öffentlichen Raum, Video- und Fotoarbeiten sowie Schablonen.

Als Symbol des Protests gegen die weiterhin aktuelle militärische Machtausübung durch den Westen wie auch des  Widerspruchs ist USA UD A VIETNAM durch viele arabische Länder gereist (unter anderem Barakehs Heimat Syrien), außerdem nach Afrika, Asien und Europa.

Transmigrations bei District beinhaltet der partizipativen und mobilen Natur des Werkes entsprechend nicht nur die Wandarbeit, sondern auch die Schablonen des Graffitos, die kostenfrei mitgenommen werden können. Mittels dieser Stencils kann das Graffito weltweit im öffentlichen Raum re-inszeniert werden. Einen dritten Teil der Transmigrations bildet die wachsende Sammlung von Fotos dieser Graffitis, die dem Künstler von den unterschiedlichen Ko-Autor*innen zugesandt werden: Erinnerungen an eine „gemeinsame Resilienz“, die keine Staatsgrenzen kennt.

Khaled Barakeh

Vor fünf Jahren kam ich zum ersten mal aus Syrien nach Dänemark, um Kunst zu studieren. Kürzlich wurde ich wieder nach Kopenhagen eingeladen und ich ging mit einer guten Freundin spazieren. Sie zeigte mir ein Wandgemälde in der lebhaften Einwander*innen-Community Vanløse, das sie gerade fertiggestellt hatte. Dort, unter einer Eisenbahnbrücke, sah ich ihr Werk, dessen Organisation und Realisierung sechs Monate in Anspruch genommen hatten und war überwältigt von all den Farbschichten und den Dialogen, die sich zwischen den Bildoberflächen abspielten. In dieser Mauer, die als imaginierte Grenze der Community, als Grund für Farbe und Form, definiert war, konnte ich einige kaum lesbare Wörter überlagert von einer Geschichte der Übermalungen und des Verbergens ausmachen. Ich ging näher heran und konnte schließlich zwei der vier Wörter erkennen, die tief unter den Schleiern aus Öl- und Acrylfarbe vergraben waren; die Namen zweier Nationen, die sich einst einen gewaltigen Kampf geliefert hatten. Die anderen beiden Wörter kannte ich noch nicht, aber meine Freundin übersetzte sie für mich. Auch sie schwebten dort in der Mauer und entfalteten ihre eigene Bedeutung

Aus einer Vergangenheit, die wir normalerweise als abgeschlossen erachten, schienen diese versteckten Worte durch Zeit und Raum in diesen komplexen, geopolitischen Mikrokosmos hinein zu wirken. Während Generationen urbanen Lebens war ein Slogan, gar ein Befehl unsichtbar gemacht geworden: USA UD A VIETNAM. Ich war erschüttert. Die Absicht, mit etlichen Farbschichten, die über die Jahre immer wieder aufgebracht worden waren, diese Nachricht zu verschleiern, sie zu verstecken, schockierte mich. Es war wie ein flüchtiger Blick auf eine Sprache des Widerstands, die den Wunsch nach einem Leben ohne Hierarchien oder Unterdrückung zum Ausdruck bringt. Das schwache Relief eines Scriptums, das nachhaltig mit meinen eigenen Geschichten, Erfahrungen, Sorgen und Auffassungen widerhallte.

Ich musste nicht lange nachdenken – ich holte einen Pinsel, meine Freundin steuerte die Farbe bei – und mit größter Detailtreue und Präzision füllte ich die Stellen auf der Mauer mit Farbe, wo einst jene Worte sichtbar gewesen waren, um den alten Text zurück zu bringen. Die Mauer sprach wieder – einfach und direkt. Ich zeichnete die neue Botschaft ab, um später eine Schablone anfertigen zu können, und wir verließen den Ort still und leise. Da wir ja alle vernetzt sind, war es mir ein Leichtes, viele dieser Schablonen an meine Brüder und Schwestern zu schicken, mit der Bitte, sie ihrem Zweck entsprechend zu benutzen. Nach und nach bekam ich von meinen Kollegen Fotos zugeschickt, von diesen Glyphen der Freiheit, der Hoffnung. USA UD A VIETNAM tauchte wieder weltweit auf. Ich sammelte all diese Fotos und machte Postkarten daraus, die ich allen beteiligten Personen als Set zukommen ließ. Ein Prozess der Umverteilung, Verstärkung, des Schenkens und Teilens. Später ließ ich 1000 solcher Sets im Ausstellungsraum liegen und die Leute konnten sich dort einfach bedienen.

Als diese vier einfachen Wörter aus der immer wieder verdrängten, fast ausgelöschten Vergangenheit zu mir sprachen, hatte ich ja keine Ahnung, dass sie solch eine Eigendynamik entwickeln würden. Ich spürte lediglich deren Relevanz. Jetzt existiert das Graffito in einem weiteren Kontext, in vielen Settings und allen Himmelsrichtungen, was die ursprüngliche Aura ausdehnt, deren Präsenz ich so abrupt an jenem kalten Nachmittag in Kopenhagen verspürte. Die Botschaft ist wieder lebendig – in voller Größe bei District – und teilt sich Mauern, die nicht undurchdringlich sind, sondern die wandelbar sind und sich mit der Zeit verändern.

2013 bahnte sich die Originalschablone den Weg nach Vietnam, ein Land, wo Graffiti Kultur gerade ihre ersten Knospen treibt und offene Kulturkritik eine Seltenheit ist – aber es passiert, es tut sich was – eine junge, hoffnungsvolle Generation verbreitet die Botschaft an den Mauern ihrer Städte. Ich bin sehr glücklich, Teil eines Projekts dieser Größenordnung zu sein, aber wir müssen unsere Kapazitäten noch weiter steigern, unseren Kampfgeist und unseren gemeinsamen Widerstand intensivieren und all unsere Energie auf eine klar erkennbare, offene Zukunft richten, die wir selbst gestalten.

Khaled Barakeh (* 1976 in einem Vorort von Damaskus, Syrien) hat bis 2005 Bildende Kunst an der Universität Damaskus studiert, seinen M.A an der Funen Art Academy, Dänemark abgeschlossen (2010). Derzeit schließt er seinen Meisterschüler in Simon Starlings Klasse an der Städelschule, Frankfurt am Main ab. Seine Arbeiten wurden in der Kunsthalle und im Museum Brandts und Overgarden (beide in Dänemark), in der Kunsthalle Stattgart, der Golden Thread Gallery in Belfast, im Nationalmuseum in Aleppo und vielen anderen Ländern weltweit gezeigt.

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