Friederike Hamann: Konstellation I und II

06/03/2014 — 31/12/2016

Friederike Hamann, Konstellation I und II, 2014

Friederike Hamann, Konstellation I und II, 2014

Friederike Hamann, Konstellation I und II, 2014, Photo: Heiko Karn

Friederike Hamann, Konstellation I und II, 2014, Photo: Heiko Karn

Friederike Hamann, Konstellation I und II, 2014, Photo: Heiko Karn

Installation

NEXT/Malzfabrik
Bessemerstr. 16-22
12103 Berlin

Öffnungszeiten: in Übereinstimmung mit unseren aktuellen Bürozeiten

Bei jedem Windhauch

Setzt sich der Falter anders

Dort auf der Weide.

Matsuo Bashō (1644-1694)

Friederike Hamanns Installation Konstellation I und II, das sechste Projekt der Reihe AAArchitecture, ist für die zweite Etage des NEXT entstanden, einem vom Architekten Jürgen Sawade 1994 konzipierten Gebäude, das heute zum Ensemble der Malzfabrik gehört.

Das Licht wandert, langsam und unmerklich verstreicht die Zeit und verändert den Raum – durch diese allmähliche, banal alltägliche Bewegung des Lichts verschieben sich die Schatten, die Kontraste, die Farben. Kaum merklich konfigurieren sich immerfort räumliche Konstellationen. Der Raum, in dem wir sind, der um uns ist, wandelt sich konstant und beständig.

In der Intervention Konstellation I und II von Friederike Hamann entstehen die geometrischen Formen und Muster aus seriellen Überlagerungen unterschiedlicher Materialien wie Papier, Farbfolien und Metallplatten, die fotografiert und gefilmt immer wieder von neuem auf die Wand projiziert werden. Dort überlagern sich die projizierten Strukturen mit den Farbflächen weiterer Materialien. So entsteht Schritt für Schritt eine vielschichtige abstrakte Konstellation, in der sich die ursprüngliche Materialität der abgebildeten Elemente, Körperabdrücken gleich, in die Bildhaut hineinpresst. Jede einzelne Schicht dieser Faltung bleibt bestehen und erhält mit jeder Wiederholung eine Tiefe, die doch nur an der Bildoberfläche lesbar wird.

Die abstrakten Muster, Farben und Formen werden als Licht wieder in den Raum des Korridors zurück geworfen und von den gegenüberliegenden Spiegeln reflektiert. Konstellation I und II bilden so eine horizontale Licht- und Farbschleuse, die sich der stabilen und funktionalen Regelmäßigkeit aus Neonröhren, Kabelschächten und Türen entgegenstellt. Die immer wiederkehrenden linearen Bewegungen der Körper werden im Durchgangsraum des Korridors selbst zum zentralen Moment einer dynamischen Konstellation aus Licht, Spiegelung und Betrachter_in, in der sich in der Peripherie des Blicks ein Möglichkeitsraum flüchtig konturiert.

Der mexikanischen Architekt und Landschaftsplaner Luis Barragán (1902-1988) baute seine Entwürfe aus Farbe, Licht und Volumen und erweiterte das reduzierte Vokabular der klassischen Moderne um die Vorstellung von einer ‚emotionalen Architektur‘. Bei Barragán bilden das Sinnliche und Schöne die Grundlage einer modernistisch abstrakten Formensprache. In seinen Entwürfen durchdringen sich Natur und Konstruktion, Außen- und Innenraum, künstliches und natürliches Licht. Seine architektonischen Farbräume sind wie dynamische Bilder in der Zeit, die vom Blick und Körper der Betrachtenden mitgeformt werden.

Die Installationen von Friederike Hamann prägen und reflektieren den Raum, in dem sie stehen, werden aber zugleich von diesem erst bestimmt; wie nebenbei entstehen so subtile Rekonfigurationen des Raumes. Etwas im Blickfeld hakt; ein Lichtschein, der gegen die Richtung des Sonnenstrahls fällt, ein Schatten, der sich unwirklich gegen den Sonneneinfall stemmt, die Farbschliere einer scheinbar prismatischen Brechung an der Wand, die nicht verbleicht, sondern deren Kontur mit der Dauer immer stärker hervortritt; Flüchtiges und Ungreifbares trifft so auf den Widerstand einer Konstruktion.

Wie in einem japanischen Haiku wird in den Arbeiten von Friederike Hamann die konkrete Materialität, die Stofflichkeit des Raumes, minutiös abgetastet und zu neuem Material kondensiert. In dieser strengen Reduktion trifft eine modernistische Abstraktion auf eine Metaphysik des Konkreten und Gegenwärtigen. Es scheint fast, als wären die Arbeiten von der Idee des Haikus getragen, dass in der kleinsten Spur noch das Ganze verborgen liegt.

Einer ähnlichen Vorstellung von einer Wahrhaftigkeit der Form folgen auch die frühen abstrakten Animationsfilme des New Yorker Filmemachers Harry E. Smith (1923-1991). Early Abstractions No.7: Color Study entstand 1952 als Dokumentation einer Performance im Guggenheim Museum, bei der Smith mehrere Dia- und Filmprojektoren gleichzeitig verwendete. In den rhythmisch verschränkten und pulsierenden Kompositionen der Farbflächen sucht der Film nicht nach einem rein ästhetischen Moment, sondern nach einer universellen, transhistorischen Wahrheit, die der Form jenseits ihres Inhalts inhärent ist.
Anders als die Arbeiten des mystischen Katholiken Luis Barragán und des esoterisch-spirituellen Harry E. Smith tanzen die Arbeiten von Friederike Hamann auf der Oberfläche der Erscheinungen. Sie werfen sich in eine Welt, deren Wahrheit im Konkreten und nicht in einer metaphysischen Jenseitigkeit liegt. Ihre Arbeiten ruhen in der kaum merklichen Varianz der linearen Zeitlichkeit einer gefrorenen Bewegung des Raumes im Rhythmus des Lichts.

Matei Bellu

Ein Projekt von District Berlin in Zusammenarbeit mit der Malzfabrik.

Seit 2011 widmet sich District im Rahmen von AAArchitecture der Ko-Produktion und Vermittlung ortsspezifisch entwickelter Kunstprojekte, die in den Zwischenbereichen von Architektur, urbanem und sozialem Raum, Technologie und Kunst experimentelle Perspektiven zeitigen.

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